VAEGABOND - Dieser Monat war der Horror
Die letzten Wochen waren mit Abstand die katastrophalsten von 4 Jahre Fahrrad Weltreise! Innerhalb weniger Tage wurden nicht nur unsere gesamten Routenpläne zunichte gemacht, wir setzten nicht nur Unmengen an Geld in den Sand, uns ging es dann irgendwann auch so schlecht, dass wir beide sogar im Krankenhaus am Tropf landeten. Wie alles anfing und was uns immer tiefer in die Katastrophe geritten hat? In diesem Reiseupdate versuchen wir das Ganze mal halbwegs verständlich zu Papier zu bringen…
Anfang Oktober verließen wir unser kleines Paradies am Meer ganz im Süden Indiens. Da war noch alles in Ordnung. Wir haben Kite surfen gelernt und die Zeit ordentlich genutzt, um zu arbeiten und Videos sowie Beiträge zu produzieren. Soweit hat noch alles gepasst. Normalerweise wären nach Indien die Länder Bangladesch und Bhutan an der Reihe. Bhutan wäre natürlich landschaftlich und kulturell die absolute Krönung, aber leider wegen der hohen Kosten pro Tag, sowie einem verpflichtenden permanenten Führer für uns einfach nicht möglich. Anschließend wären wir gerne nach Myanmar geradelt. Leider ist der Landweg nach Myanmar nicht möglich aufgrund der derzeitigen politischen Situation. Also musste eine alternative Route her, auf dem Landweg war nichts mehr zu erreichen. Es ging zurück nach Chennai, denn von dort aus wollten wir mit dem Flugzeug ins nächste Land fliegen. Mit dem Flugzeug? Ja. Seit dem Militärputsch in Myanmar ist es derzeit leider durch die vielen Sprengstoffanschläge weder sicher, noch möglich, über die Landesgrenze einzureisen. Wir verfolgen das Geschehen schon eine Weile und sind deshalb zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht umhinkommen, mit den Rädern in ein Flugzeug zu steigen, um unsere Fahrrad Weltreise nach Japan fortsetzen zu können.
Also buchten wir 2x 32kg Fahrräder als Sperrgepäck und 2x zusätzlich 30kg für unser gesamtes Hab und Gut von Chennai in Indien nach Bangkok in Thailand. Der Abflugtag kam. Der Flieger war für einen Samstag, gegen 23 Uhr festgesetzt. Die erste Hürde war Fahrradkartons zu besorgen, in die unsere Räder reinpassten und weitere Kartons, in die wir unsere Radtaschen inklusive Inhalt verstauen konnten. In Indien ist es gar nicht mal so einfach an benutzte Kartons zu kommen, da alles gesammelt und fein säuberlich gefaltet in irgendwelchen Hinterhöfen verschwindet. Letztendlich wurden wir fündig und fuhren mit einem Lieferauto zum Flughafen. Dann der Schock am Check-In unserer Airline: Wir dürfen nicht mit... Wie, dürfen nicht mit? Das kann nicht sein! Die Dame am Schalter zählte 3x unsere Aufenthaltsdauer... immer wieder falsch, auch die Kollegin war der Meinung, dass wir einen Tag zu viel hier in Indien seien. Zu Unrecht. Wir hatten alles genau kalkuliert, geplant, gezählt. Es war auf den Tag genau der letzte Tag, an dem wir uns hier aufhalten durften.
Nein! Wir sollten uns bei der Ausländerbehörde registrieren. Wir waren so geschockt und verunsichert, dass wir uns wegschicken ließen. Da standen wir nun mit 4 großen Boxen vor dem Terminal und wussten nicht wohin. Die Kosten für den Flug bekamen wir selbstverständlich nicht zurück erstattet, alles Geld umsonst… Mittlerweile war es 22 Uhr und wir kontaktierten die Familie, bei der wir uns die letzten Tage auf den Flug vorbereitet hatten, ob wir zurück kommen konnten.
Nein. Verwandte waren mittlerweile eingezogen. Es wurde später und später, irgendwann fanden wir doch noch jemanden, der uns spontan aufnehmen konnte und fielen verwirrt und erschöpft gegen 24 Uhr in den Schlaf.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Bauchschmerzen machten sich breit, heute hatten keine Behörden geöffnet, erst Montag 10 Uhr morgens. Und ab heute hatten wir faktisch tatsächlich einen Overstay. Wir malten uns alle möglichen Szenarien aus, wie man uns dafür bestrafen könnte. Nicht nur mit einer Geldstrafe, sondern auch mit einer Einreisesperre nach Indien für die nächsten Jahre bis hin zu Gefängnis… Das Kopfkino war äußerst bunt und angsterregend. Wir wollten nur noch raus aus Indien.
Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Tuktuk eine dreiviertel Stunde quer durch Chennai zur Ausländerbehörde. Am Empfang wurde uns gesagt, wir sollten uns online registrieren und dann auf weitere Anweisungen warten. Bis nachmittags um 16 Uhr waren wir damit beschäftigt, Formulare auszufüllen, Informationen zusammenzutragen und alles noch zweimal von neuem online einzureichen, weil natürlich die offizielle Seite der Behörde zwischendurch immer mal wieder abschmierte. Das letzte Dokument – Form C – ein Nachweis von unserem derzeitigen Gastgeber, dass wir bei ihm waren und er kein Geld von uns verlangte, fehlte noch. Es war zum Haare raufen, denn irgendwie schaffte er es nicht, dies auszufüllen, bis er dann eine Arbeitskollegin fragte, die das netterweise machte. Mithilfe von whatsapp und 2 Neubeantragungen, weil jeweils ein Zahlendreher drin war oder der Name falsch geschrieben wurde, klappte es dann. Endlich kurz vor Feierabend der Behörde, konnten alle Dokumente eingereicht werden. Der Dienstag verging. Keine Nachricht von der Behörde. Der Mittwoch kam, endlich eine Nachricht! Wir wurden für den Donnerstag einbestellt. Der Termin rückte näher und wir erklärten den zwei Damen von der Behörde die ganze Misere von vorne bis hinten. Sie wirkten erstaunlich verständlich und sicherten uns zu, dass wir wahrscheinlich schon für morgen oder Anfang der nächsten Woche einen Zahlungslink bekommen würden, über den wir dann unsere „Strafgebühr“ für den zu unrechten Overstay begleichen konnten. Dann sollte alles ganz fix gehen und ein bis zwei Tage später sollten wir unser Exit Permit in den Händen halten können und endlich offiziell ausreisen dürfen.
Mittlerweile mussten wir umziehen, weil sich auch bei unserem Gastgeber plötzlich Verwandtschaft ankündigte. Das bedeutete wieder Stress für uns, alle Sachen packen, neue Bleibe ansteuern und weiter bangen, was mit unserem Permit passiert. Der nächste Tag kam und wir erhielten eine E-Mail von der Behörde. Nicht mit dem Zahlungslink, sondern mit der Aufforderung, noch mehr Dokumente und Informationen einzureichen. Unter anderem sollten wir seit 2019 alle Länder auflisten, alle Einreise- und Ausreiseorte, die Gesamtaufenthaltsdauer pro Land und weitere Späßchen, die für uns einen enormen Aufwand bedeuteten und letztendlich dazu führten, dass sich die Beamten noch länger mit unserem Fall beschäftigen würden. Wir waren nun schon seit mehr als einer Woche unfreiwillig hier und nichts schien vorwärts zu gehen. Wieder mussten wir umziehen, der Raum in dem wir waren sollte renoviert werden. Der Stress begann von neuem eine Bleibe zu organisieren und quer durch die Stadt zum nächsten Host zu fahren.
Am 11ten Tag nachdem wir eigentlich geflogen wären, kam die ersehnte Zahlungsaufforderung für die Begleichung der Strafgebühr: 500INR pro Person. Das sind umgerechnet 5,65€.
Ernsthaft? Dieser bürokratische Aufwand für diesen Betrag? Wir waren fassungslos, gut wir hatten Glück und wir hätten bei weitem mehr zahlen müssen… Tatsächlich hätten wir der Airline direkt gerne 50€ gegeben, dass wir mitfliegen durften. Dann hätten wir uns auch die Neubuchung von allem sparen können, denn mittlerweile waren die Preise saftig angestiegen. Der erste Flug lag bei 550€, der zweite sollte noch deutlich teurer werden. Wir wurden von der Behörde aufgefordert neue Flüge zu buchen und die Tickets vorzulegen, erst dann würden wir das Exit Permit ausgestellt bekommen. Wir machten uns in Windeseile an die Zahlung unserer 500INR pro Nase und wären wieder fast verzweifelt. Zahlung geht nur, wenn man ein indisches Bankkonto besitzt? Was soll das denn? Wir sind doch Ausländer und waren bei der „Ausländerbehörde“, was für einen Sinn ergibt das denn? Die Zahlungen wurden stets abgebrochen und wir mussten erneut in 30 Minuten unser Glück versuchen. Denn pro fehlgeschlagene Zahlung bedeutet laut System der Behörde 30 Minuten extra warten. Vier Fehlversuche hatten wir schon. Zum Glück konnte unser Gastgeber Nummer 3 hier aushelfen und wieder begann das Warten auf die Ausstellung unseres Bescheids. Uns ging es miserabel, wir wollten hier nicht sein, wir hatten schon die kommende Route vorbereitet und alles funktionierte irgendwie nicht. Gerade recht die Info, dass dieser Gastgeber für die kommenden Tage zu seinen Eltern reiste, was im Klartext bedeutete, dass wir schon wieder umziehen mussten. Hoffentlich zum letzten Mal packten wir alles zusammen und verließen unsere Bleibe. Unsere Nerven lagen blank, wir hatten keinen Hunger und trotz vieler E-Mails und erfolgloser Telefonate passierte einfach nichts. Das nächste Wochenende kam und wir hörten immer noch nichts vom Amt.
Als sie die neuen Flugtickets einforderten, dachten wir ja, dass ein 6 Tage Zeitpuffer von der Zahlung der Strafgebühr bis zum neuen Abflugstermin genug Zeit wäre, um das Exit Permit auszustellen. Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen, wie wir indische Behörden mittlerweile hassten. Zu allem Übel stand nun zusätzlich zum Wochenende, wo ohnehin nichts passierte, auch noch ein Feiertag an. Das Exit Permit? Nach 12 Tagen Bürokratie Wahnsinn immer noch nicht da. Wir wandten uns an den Bereitschaftsdienst der Deutschen Botschaft, weil wir Angst hatten, dass das Permit nicht rechtzeitig ausgestellt werden würde und wir den zweiten Flug ebenso nicht zurückerstattet bekämen. Hilfreich war die Botschaft leider nicht. Wir machten die Notrufnummer vom deutschen Generalkonsulat aus und schilderten unser Problem von neuem. Endlich ein Lichtblick, die stellvertretende Generalkonsularin nahm sich am Samstag direkt uns an und telefonierte sich bis in die oberste Ebene der Ausländer Behörde durch, um dort Dampf zu machen. Uns blieb nichts anderes übrig, als weiter zu warten. Und dann kam auch schon die nächste Katastrophe.
Wir bekamen schlagartig Fieber, üblen Durchfall und mussten uns übergeben. Den nächsten Tag konnten wir nicht mehr aufstehen, so schlecht ging es uns. Den scheinbaren Übeltäter machten wir schnell ausfindig: ein Gericht, dass unser Gastgeber Nummer 4 tags zuvor bestellt hatte, war wohl nicht so sauber zubereitet worden. Super. Lebensmittelvergiftung. Unsere Generalkonsularin klingelte durch, sah ganz gut aus, versprechen konnte sie allerdings nichts, aber zumindest sollten wir am Montag unsere Papiere bekommen. Am Montag! Einen Tag vor Abflug! Dem 40°C Fieberwahn gesellten sich dann übelste Kopf- und Gliederschmerzen hinzu. Ganz ehrlich, wir fragten uns womit wir
das alles verdient hatten und wollten nur noch nach Hause. Also ganz nach Hause. Da war keine Kraft mehr, keine Energie, keine Motivation. Und kein Exit Permit.
Der Montag kam, wir warteten. Der Mittag verging, wir warteten. Es ging auf den Abend zu. Okay, das wars dachten wir… Dann kam sie doch noch, nach quälenden 16 Tagen Bürokratiewahnsinn, die E-Mail von der Behörde mit unseren Exit Permits, am Abend vor unserem Flug. Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir es ohne den Einsatz von unserer Konsularin nicht rechtzeitig geschafft hätten und dann noch größere Probleme bekommen hätten… Aber die Geschichte ist hier leider nicht vorbei…
Wir quälten uns wieder zum Flughafen, besser ging es uns nicht, eher noch schlechter und wir beteten, dass uns die Airline diesmal trotz käseweißem Gesicht und Schmerzen mitnehmen würde. Am Flughafen angekommen, wurde der Flug um einige Stunden verschoben - auf den nächsten Tag. Wir mussten also mit dem Exit Permit die Imigration hinter uns bringen, ausreisen und dann den Datumswechsel „auf der anderen Seite“ hinter uns bringen. Schließlich hatte der Flieger 3 Stunden Verspätung… Wir schafften es in die Maschine. Erschöpft schliefen wir ein, um ein paar Stunden später wieder in Bangkok aufzuwachen. Wir steuerten die Wohnung von unserem Freund an, den wir 2016 kennengelernt hatten und den wir besuchen wollten. Mittlerweile nahmen die Schmerzen und das Fieber wieder so zu, dass wir direkt nach der Ankunft alle Wertsachen und die Medizin, die wir genommen hatten, einpackten und mit dem Taxi ins Krankenhaus fuhren. Wir wurden gleich in der Notaufnahme behalten, Blut wurde abgenommen und weitere Tests durchgeführt. Dann die Diagnose: Dengue-Fieber und Salmonellen! Ach wie gerne hätten wir weiterhin an einer Lebensmittelvergiftung festgehalten… Uns war, als hätte man uns den Teppich unter den Füßen weggezogen, ohne Halt, ohne gute Prognosen… Das Schlimme, das war nur einer von 4 Dengue-Typen. Zwar hätten wir nun gegen diesen Typ Antikörper, aber eine erneute Infektion mit den anderen Typen würde noch viel schlimmer ausgehen, wenn nicht sogar lebensgefährlich enden. Unsere Frage an den Arzt: Müssen wir jetzt sterben? Dieser antwortete: Most likely not – wahrscheinlich eher nicht. Aufmunternd war das nur wenig. Dann kurze Zeit später bot man uns ein Doppelzimmer an, in dem wir beide gemeinsam schlafen konnten, denn es stand außer Frage, dass wir mit Infusionen und Schmerzmittel behandelt werden und überwacht werden würden. Die erste Zahlung musste auch sogleich geleistet werden. Stattliche 650€ pro Person. Uns wurde dann anschließend eine grobe Schätzung der weiteren Kosten unter die Nase gehalten, mit der Aufforderung ein Deposit von über 3.200€ pro Person an das Krankenhaus zu leisten. Uns wurde noch mehr schlecht, als ohnehin schon und unter Fieber wählten wir die Nummer des Notdienstes unserer Auslandskrankenversicherung. Ja, sie würde wohl zahlen… Die tatsächlichen Kosten am Schluss sprengten letztendlich diesen finanziellen Rahmen pro Person… Momentan haben wir weder unsere Depositkosten zurückbekommen noch eine Erstattung von der Versicherung… Wir werden warten müssen, das kennen wir ja jetzt schon sehr gut.
Sechs Tage lagen wir gemeinsam Seite an Seite im Krankenhaus, litten gemeinsam, bekämpften das Fieber und verschliefen gemeinsam den Großteil der Zeit. Obwohl das so eigentlich nicht ganz stimmt. Denn alle 2 Stunden kamen die Schwestern, um erneut den Blutdruck und Fieber zu messen. Ein Gutes hatte es. Das Krankenhaus in
dem wir waren, war topmodern und pro Mahlzeit konnten wir aus Thai, Japanisch, Western, Halal und Vegetarisch nochmals zwischen jeweils zwei Speisen wählen.
Eigentlich schon heftig, wenn man sich mal überlegt, was alles NICHT passiert wäre, wenn wir wie geplant geflogen wären… Das Dengue-Fieber haben wir uns nämlich definitiv durch diese extra Runde Indien eingefangen… Nun wurden wir entlassen. Wir sind immer noch total müde und nicht ganz bei Kräften, aber es wird schon besser. Radeln können wir so erstmal nicht. Auch hat sich unsere To-Do Liste enorm vergrößert, unsere E-Mailpostfächer quellen über und halbfertige Videos warten auf ihre Vollendung… Vollgas können wir momentan nicht geben, aber bald gibt es wieder eine neue Reisedoku, versprochen! Wenn du uns bei der neuen Flugbuchung etwas unter die Arme greifen möchtest, freuen wir uns immer riesig über Unterstützung z.B. über Paypal Freunde (https://paypal.me/vaegabond) oder Überweisung (https://bit.ly/38H52Lf). Auch freuen wir uns riesig über deine Wertschätzung unserer Beiträge und Videos über Paypal Freunde oder eine Mitgliedschaft auf unserer Webseite. Dort bekommst du sogar etwas tolles für deine Wertschätzung von uns zurück! Denn nur mit deinem Support, können wir tatsächlich weiterhin von unterwegs aus unsere Videos und Erfahrungen mit euch allen teilen.
Herzlichen Dank dafür und liebe Grüße
Melli & Dani
Neugierig geworden? Mehr Infos über unsere Fahrrad Weltreise von Deutschland nach Japan findest du auf unserer Webseite www.vaegabond.com. Uns gibt es auch auf Facebook, Instagram und YouTube.