'Rohloff' erneut am Nordkap

Nach Stefan Wilda erreicht nun auch Frank Lorenz mit seiner SPEEDHUB 500/14 das Nordkap

Aus dem Tagebuch von Frank:

0.11. Um 7.30 Uhr verließ ich das Haus meiner Gastgeberin der letzten Nacht, Anne, und kurz darauf Lakselv.  Ich hatte gerade die Stadtgrenze passiert als ein heftiges Schneetreiben einsetzte. Böse Erinnerungen an den Wintereinbruch bei Oulu wurden in mir geweckt. Aber nach zwei Stunden hörte der Spuk auf und Schneepflüge befreiten die Straßen vom meisten Schnee. So wurde die Piste entlang des Porsangerfjordes wieder relativ gut befahrbar. Meine Spikereifen bohrten sich in die vereiste Strasse und ich kam gut voran. Zwischendurch schien sogar die Sonne so das es am Ende noch eine schöne  Tagesfahrt zum Campingplatz am Olderfjord wurde. Nach den Nächten die ich um Minus 20 Grad im Zelt verbracht hatte stellte ich dort mein Zelt bei ,,sommerlichen" 0 Grad Celsius auf. Das war auch die erste Fahrt, seit Tagen, während der mein Trinkwasser nicht zu Eis erstarrt war.



11.11. Morgens machte ich noch ein paar Fotos am Olderfjord, dann  radelte ich weiter Richtung Norden. Der nächste Fotostop  war ernüchternd.  Meine  Digitalkamera funktionierte  nicht mehr!  ,,Lense Error,, stand auf dem Display als ich versuchte sie anzuschalten. So kurz vor dem Ziel ist eine nicht mehr zu gebrauchende Kamera natürlich sehr ärgerlich. Zum Glück hatte ich noch meine Spiegelreflexkamera dabei um ein paar schöne Fotos zu machen. Der Tag begann mit sonnigem Wettter. Später, nach dem passieren eines Straßentunnels, kam etwas Wind auf. Schnell entwickelte sich der Wind zu einem heftigen Sturm. Zum Glück hatte ich Rückenwind und kam dadurch noch schneller vorwärts. Der Fahrer eines Schneepfluges hielt mich unterwegs an und wollte mich bis zur nächsten Stadt, nach Honningsvag, mitnehmen. Ich lehnte dankend ab. Die restlichen Kilometer bis zum Nordkap wollte ich ohne Mitfahrgelegenheit sondern mit meinem Bike zurücklegen. So ließ ich mich erst einmal weiter vom Wind vorwärts treiben. In der nächsten Kurve hatte ich den Wind von der Seite und fast hätte er mich von der Straße geweht. Zu meinem Glück waren dort Leitplanken angebracht die ihn davon abhielten. Um die nächsten 2 km zu bewältigen brauchte ich fast eine Stunde. Ich hatte nun Vorderwind! Schiebend versuchte ich  den  Sturm zu bezwingen der mir  immer neue  Böen aus  Schnee  und Eis  entgegen trieb. Éndlich hatte ich das Ende des Kalfjordes erreicht und nach der nächsten Kurve wieder Rückenwind. Inzwischen war es 15 Uhr und schon dunkel. Bei diesen Witterungs- bedingungen brauchte ich an Camping gar nicht zu denken. Wo sollte ich auch mein Zelt aufstellen? Links waren Felsen und rechts nichts als Meereswasser. Bäume und Sträucher standen schon seit langem nicht mehr am Wegesrand. So musste ich mich also bis Honningsvag durchschlagen. Der fast 7 km lange Nordkaptunnel war die nächste Herausforderung. Natürlich nicht die Abfahrt, die 212 Meter unter den Meeresspiegel führte, sondern die kilometerlange Steigung zum Ende des Tunnels. Am liebsten hätte ich mein Zelt in einer der zahlrichen Nothaltebuchten aufgeschlagen. Endlich hatte ich das Ende des Tunnels erreicht. Kurz darauf kam ich an der dortigen Mautstelle an. Kopfschüttelnd winkte man mich vorbei. Etliche windige Kilometer weiter durchquerte ich den 4400 Meter langen Honigsvagtunnel und war wenig später, nach 106 Tageskilometern, in Honnigsvag angekommen. In der billigsten Herberge die ich dort fand bekam ich eine Unterkunft aber preiswert war sie nicht. Preiswert ist in diesem Teil der Welt ein Fremdwort. Aber eine Möglichkeit mein Zelt aufzuschlagen gab es dort nicht.

 

12.11. Noch 33 km bis zum Nordkap. Am Morgen erfuhr ich das die Straße dorthin, wegen dem noch immer heftigen Wind, geschlossen sei. Aber in Honningsvag  wollte ich nicht bleiben. Es war Sonntag und die  kleine Stadt lag wie ausgestorben da. So radelte ich zum 8 km entfernten Campingplatz am Skipsfjord um am nächsten Tag von dort aus das Nordkap zu erstürmen.  Natürlich war der Campingplatz geschlossen und auch niemand anwesend der mir irgendwie helfen konnte. Der Wind pfiff über das weiträumige Gelände und um die Bungalows die dort standen. Einen winstillen Platz für das Zelt fand ich nicht. So versuchte ich, ohne Gewalteinwirkung, in eines der Häuser zu gelangen. Nach ein paar erfolglosen Versuchen fand ich tatsächlich eine unverschlossene Tür. So verbrachte ich eine endlos scheinende Nacht in einer Ferienwohnung am Skipsfjord.


13.11. Tag X  Noch 25 km bis zum Nordkap. ,,Wie ist das Wetter?" Das war die erste Frage die ich mir nach dem piepen meiner Armbanduhr am Morgen stellte. Windstill und ein fast blauer Himmel-Super! Frühstück, Sachen zusammen packen-Abfahrt. Die Straße führte erst einmal aufwärts. Das die letzten Kilometer zum Nordkap ein ,,bisschen" Auf und Ab führen würden hatte ich vorher von einem Autofahrer erfahren. Aus Autofahrersicht sieht eine Steigung ja auch immer ein ,,bisschen" locker aus, aber wenn man mit vollbepacktem Bike vor einer endlos scheinenden, 9 prozentigen, eisverkrusteten Steigung steht ist das alles nicht so locker. Also absteigen und schieben. Egal, der Weg ist das Ziel! Endlich hatte ich die Anhöhe erreicht. Nun ging es wieder ein paar Kilometer abwärts, aber so richtig freuen konnte ich mich nicht darüber. Das Nordkap liegt 307 Meter über dem Meeresspiegel und so wußte ich was mir bevorstehen würde... Noch 13 km bis zum Nordkap. Neben einem geöffneten Schlagbaum stand ein Schild das darauf hinwies das die Strasse geschlossen sei. Lächelnd nahm ich es zur Kenntniss und radelte weiter. Auch ein geschlossener Schlagbaum hätte mich nicht davon abhalten können mein Ziel zu erreichen. Nach einem weiteren Auf und Ab, durch die schneebedeckten Berge, kam ein Gebäude mit einer weißen Kuppel obendrauf in Sichtweite. Das mußte das Besucherzentrum des Nordkaps sein! Der Anblick setzte noch einmal Kräfte frei. Ein plötzlich aufkommender Wind schob mich regelrecht die letzten Meter empor  und an den geschlossenen Kassenhäuschen vorbei. Am Besucherzentrum hielt ich erst einmal an. Der Haupteingang war mit Brettern verbarrikatiert und Schneewehen türmten sich ringsum. Ein Kleinwagen, der mich kurz vorher überholt hatte, parkte davor. Niemand war zu sehen. Der Wind, gefühlte 15 Grad Minus, schleuderte mir dort oben immer neue Böen mit Schnee und Eistücken entgegen. Wo ist das Wahrzeichen des Nordkaps, die Weltkugel? Mit aller Kraft schob ich mein Bike hinter das Besucherzentrum. Zwei junge Frauen kamen mir, sich dem Wind entgegenstemmend, entgegen gelaufen. Sie wollten zwar gerade das Nordkap verlassen aber ich konnte sie überreden meinen Moment der Glückseeligkeit im Bild festzuhalten.  Endlich, nach 4855 geradelten Kilometern am ,,Ende der Welt", am Nordkap angekommen. Jaaaa!!!
Lange konnte ich aber den Moment nicht auskosten. Trude und ihre Freundin drängten zum Aufbruch und wolten den ,,Crazy Biker" mit zurück nach Honningsvag nehmen. Als wir um die Ecke bogen stand ein geparkter Jeep an einem Nebeneingang des Besucherzentrums. ,,Ich bleibe noch und versuche mit dem Jeep mitzufahren" entschied ich spontan. Vor allem war es natürlich auch einfacher meine Sachen auf der Ladefläche des Jeeps zu verstauen als in ihrem Opel Corsa. Dankend verabschiedete ich mich von den beiden Norwegerinnen. Etwa 15 Minuten wartete ich in einer relativ windstillen Ecke auf den Besitzer des Jeeps.  Auf meine Frage nach einer Mitfahrgelegenheit nach Honningsvag antwortete er: ,,Natürlich können wir dich mitnehmen aber wir haben hier noch zwei Stunden zu arbeiten. Komm erst mal rein". Im menschenleeren Restaurant des Besucherzentrums suchte ich mir einen Platz mit Blick auf das windumwehte Wahrzeichen des Nordkaps. Die Dämmerung setzte langsam ein und später,als es dunkel war, wurde die Weltkugel von Strahlern beleuchtet.
Genau diese Stimmung habe ich in diesem Augenblick gebraucht um meine Bikereise noch einmal an mir vorüber ziehen zu lassen. Der Aufbruch in Deutschland und die folgende Süd- Nord Durchquerung zum Kap Arkona. Die Fahrt entlang der Ostseeküste, durch die Masuren und entlang der Via Baltica nach Tallinn. Die endlos scheinende Eismeerstraße in Finnland, die Rentiere in Lappland und die norwegischen Fjorde. Meine Herbstreise zum Nordkap aus der auf einmal eine Winterreise wurde. Begegnungen mit Menschen und Erlebnisse mit und in der Natur. Alles war nun Geschichte. Meine Geschichte!!! Wehmut und Freude auf kommende Erlebnisse kam in mir auf. Ein herrliches Gefühl!
Aber ohne mein Equipment, das mich nicht im Stich gelassen hat, wäre diese Reise sicherlich nur halb so schön geworden!

 


Nach der Reise ist vor der Reise. Das Westkap Europas, das Cabo da Roca in Portugal ist nun mein nächstes Fernziel! Ich werde aber nicht sofort weiter radeln sondern meine Reise unterbrechen. Vor allem die letzten Wochen haben mir gezeigt das eine Winterbikereise eine große Herausforderung ist. Ich habe sie angenommen als mich der kalte Wintereinbruch überraschte und bin bis zum Nordkap geradelt. Aber eine Winterbikereise durch Europa macht für mich wenig Sinn. Gegen 13 Uhr setzt nun schon die Dämmerung ein und in 14 Tagen wird die Sonne hier nicht mehr zu sehen sein. Dazu Kälte und Schnee.
Zurück nach Deutschland will ich aber auch nicht sondern ich will einen norwegischen Winter erleben und überleben. Vor allem will ich die Zeit nutzen um meine bisherige Tour aufzuarbeiten und zu arbeiten um meine Reisekasse aufzubessern.
,,Versuch doch mal dein Glück in Hammerfest", riet mir vor ein paar Tagen ein Norweger auf meine Frage nach einer Arbeitsmöglichkeit. Also fuhr ich einen Tag nach meiner Nordkaperstürmung mit einer Fähre durch die norwegische Fjordlandschaft, von Honningsvag nach Hammerfest. Zwei Stunden nach der Ankunft hatte ich eine vorläufige Unterkunft und einen Job in Aussicht! Ich war halt zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und traf dort den richtigen Mann der mir weiter half. Die Kreuzwege des Lebens...
Nun sitze ich also in der 10000 Einwohner zählenden Stadt Hammerfest-fest.
Wie es mit meinem Asyl in Norwegen weitergeht wird auf meiner Homepage zu lesen sein.

 

Winterliche Grüße FRANK

 

Mehr Infos unter: Frank on Biketour

Frank Lorenz auf dem Weg zum Nordkap