Aufbruch in neue Zeiten - Einst Solarmobil, heute Pedelec: Rohloff liefert Antriebe für saubere Mobilität

Es wirkte damals wie ein Fahrzeug der Zukunft: das Rennsolarmobil „Dyname“, das 1987 von Studenten der Universität Kassel gemeinsam mit Kasseler Berufsschullehrern entwickelt und gebaut wurde. Bernhard Rohloff, der ein Jahr zuvor mit seiner Frau Barbara die auf Fahrradketten spezialisierte Rohloff GmbH gegründet hatte, unterstützte das Team bei der Konstruktion eines leichten Antriebs.
In einer der Kasseler Berufsschulen, der Oskar von Miller Schule, arbeiteten schließlich alle Beteiligten Hand in Hand zusammen, um die ovale Kapsel, die Platz für einen Piloten bot, auf die Straße zu bringen. Auf dem Dach ein Solarpanel, um den Motor anzutreiben. Das Ziel: die Tour de Sol‘ 87, eine noch junge Solarrallye in der Schweiz.

Hinten v.l.n.r.: André Reinhold, Derk Bosselt, Thomas Jeltsch, Barbara und Bernhard Rohloff. Vorne v.l.n.r.: Horst Hoppe, Heino Kirchhof, Mirco Rohloff

Fahrradkette als Antrieb für Solarmobil
Und tatsächlich startete eine Crew, war sieben Tage und sechs Etappen mit 95 weiteren Teams von Biel nach Arosa unterwegs. Und das erfolgreich: Der Kasseler Fahrer Thomas Jeltsch mit der Startnummer 89 belegte mit einer Zeit von 10:11,23 den ersten Platz in einer von vier Wettbewerbskategorien: Rennsolarmobil mit Hilfsantrieb – in diesem Fall Muskelkraft-Pedale. Angetrieben wurde es mit der ersten Rohloff S-L-T-99-Kette, die zu dem Zeitpunkt für Fahrradfahrer noch gar nicht erhältlich war.

Sie wurde erst 1988 von der Kasseler Firma auf den Markt gebracht. In der Schweiz mit dabei waren Barbara und Bernhard Rohloff mit ihrem zwölfjährigen Sohn Mirco, für den die Rallye ein Erlebnis war: „Das Interesse war überwältigend. Tausende Menschen, Kinder hatten extra schulfrei, standen an den Straßen, schauten, was da passiert und feuerten uns an“, erinnert sich der Elektroingenieur. Für ihn glichen die Tage einem Aufbruch in eine neue Zeit. Dem Unterstützer-Team der „Dyname“ gehörte im Übrigen auch Heino Kirchhof aus Kassel an, unter dessen Federführung nur kurze Zeit nach der Solarrallye der Kasseler Solarverein gegründet wurde. Heute engagiert er sich für die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie und ist stellvertretender Sektionsvorsitzender in Kassel.


Premiumprodukte für die Fahrradbranche
Zurück zur Firma Rohloff: Heute steht das Unternehmen, das seit 2004 als Rohloff AG firmiert, für Highend-Technologie bei Fahrradantrieben. Die Fahrradnaben aus Fuldatal zählen zu den Premiumprodukten der Branche. Den Grundstein legten die Rohloffs mit der Fahrradkette S-L-T 99, die als technologischer Meilenstein galt. Die Neunfachkette, die je nach Radversion zwischen 110 und 116 Glieder besaß, sei ihrer Zeit weit voraus gewesen, erklärt Mirco Rohloff.

Erst knapp zehn Jahre später habe der japanische Hersteller Shimano die erste Neunfachschaltung lanciert. Das Besondere an der S-L-T-99 waren ihre Langlebigkeit und Schaltpräzision, basierend auf der patentierten „Super Link Technologie“. Durch Geometrieoptimierung der kraftübertragenden Teile am Kettengelenk ließ sich der Verschleiß deutlich verringern. Außerdem: Die Kette war kompatibel zu allen existierenden Schaltsystemen.


Auch Radprofis von der Qualität überzeugt
Nachdem die Rohloffs die S-L-T-99 im Jahr 1988 auf einer Messe präsentieren, avancierte sie zum „Geheimrezept“ der Fahrradmonteure, da sie sauberer schaltete als andere. Das machte sie in den 90ern auch zu einer gefragten Komponente bei den Radprofis der Tour de France. Ab 1988 wurden bis zu 10.000 Stück pro Monat produziert. 1989 stieg der Fahrradkomponenten Hersteller Campagnolo bei der Firma Rohloff ein: Vier Jahre rüsteten die Italiener ihre Antriebsgruppen mit der Schaltungskette aus Kassel aus, sodass wöchentlich 2000 Stück geliefert wurden.

Noch während die Radprofis begeistert von der Rohloff-Kette waren, begann in Kassel die Entwicklung der Speedhub 500/14. Sie gilt als einzige Nabenschaltung mit 14 Gängen, die herkömmliche Kettenschaltungen bezüglich Reibungsverlusten und Übersetzungsumfang vollwertig ersetzen kann. Sie wurde 1996 vorgestellt und bis heute über 350.000 Stück produziert. „Es gibt zuhauf Menschen, die mit unserer Nabe problemlos die Welt umrunden. Der aktuelle Spitzenwert beläuft sich auf 435.000 Kilometer. Die Nabe läuft noch, der Wert steigt weiter“, freuen sich Mirco Rohloff und Vorstand Werner Schiller. Sie sei extrem belastbar und die leichteste am Markt.

Nachhaltigkeit ist Firmenphilosophie
Die Speedhub steht für das Firmencredo: „Sicherheit, Zuverlässigkeit, Hochsportlichkeit. Wir wollen immer eine Nasenspitze voraus sein.“ Ihren Beitrag leisten 65 Mitarbeiter von der Entwicklung bis zur Qualitätskontrolle. Für Qualität sorgen auch 150 Partner in Deutschland, die als Zulieferer die Herstellung der Teile übernehmen, die in Fuldatal montiert werden. 95 Prozent der Komponenten werden an Fahrradhersteller geliefert, daneben an Importeure, Händler und Servicepartner. Sie schätzen ihre Langlebigkeit und Nachhaltigkeit: „Auch nach zwanzig Jahren warten und reparieren wir Speedhub-Getriebenaben und bieten damit langfristige, zuverlässige Mobilität“, sagt Mirco Rohloff.

Doch nicht nur bei den eigenen Produkten spiegelt sich das Streben nach Nachhaltigkeit wider, auch in der Produktion. Deshalb hat die Rohloff AG entschieden, benötigten Strom mit Hilfe einer Solaranlage auf dem Dach zu produzieren. Das sei jedoch kein einfaches Vorhaben gewesen, erzählt Mirco Rohloff, weil eine Lösung gefunden werden musste, die das 25 Jahre alte Grasdach nicht beschädigt.

Solarstrom macht Produktion ökologischer
„Da wir keine Firma dafür gefunden haben, die das übernehmen wollte, mussten wir selbst ein Montagesystem suchen, welches das Dach trägt“, erklärt Mirco Rohloff, der wie sein Vater Bernhard den Antrieb hat, Dinge wie Verschleißteile einer Fahrradkette oder Nabe besser zu machen. Die Lösung war schließlich eine auf dem Grasdach schwimmende Solaranlage mit einer Leistung von 45 Kilowatt-Peak.

Und so werden heute achtzig Prozent des Jahresbedarfs an Strom in der Produktion mit Photovoltaik erzeugt. Überschüssige Energie fließt zukünftig in eine Wärmepumpe, die im Sommer kühlt und in den Übergangsmonaten die Heizung unterstützt – und so den Gasverbrauch minimiert. Für die Familie Rohloff ein wichtiger Schritt, um ihre Produkte ökologischer herzustellen.
„Wir haben die Solaranlage für 600 Euro pro Kilowatt-Peak gebaut. Daher amortisiert sie sich durch die günstige Bauweise und einen hohen Eigenverbrauch innerhalb von nur drei Jahren“, erläutert Mirco Rohloff. Auf rund tausend Quadratmeter Dachfläche seien nur Markenkomponenten verwendet worden: 340-Watt-Module der Firma Solarfabrik für den Generator, das modulare System „FlatFix Fusion“ für Flachdächer von Esdec als Halterung sowie drei SMA-Tripower-Wechselrichter, die über den SMA-Homemanager 2 gesteuert werden.

Der Dachaufbau für die Solaranlage
Ein in die Jahre gekommenes Grasdach mit einer Photovoltaik-Anlage auszustatten, ist kein leichtes Vorhaben. Denn dafür braucht man ein Montagesystem, dass das Dach nicht beschädigt und dem Graswuchs gewachsen ist. Die Rohloff AG in Fuldatal wollte diesen Schritt mit einer Fachfirma gehen, fand jedoch keine, die dazu bereit war. „Daher haben wir selbst überlegt, wie wir das hinbekommen könnten“, erzählt Mirco Rohloff. Eine der Vorgaben sei gewesen, dass sich die Solareinheiten auf dem Dach für Wartung und Reparatur bewegen lässt. Eine andere, dass die Anlage genug Sonne durchlasse, damit das Gras unter den Modulen weiterwachsen kann. Und dritter wichtiger Punkt der Planung: Die Anlage sollte sich schnell amortisieren. Eine Schwierigkeit war, dass das Gras auf dem Dach uneben ist. Deshalb musste ein System gefunden werden, das nur punktuell aufliegt und dessen Verbindungen etwas über der Grasnarbe verlaufen.
„Mit dem Esdec-System FlatFix Fusion haben wir eine gute Lösung gefunden. Dies System ist eigentlich nicht für den Anwendungsfall gedacht, funktioniert aber für uns. Die Auflagepunkte sind mit 20 Millimeter dicken Bautenschutzmatten in der Größe 20x20 Zentimeter unterlegt“, erklärt Mirco Rohloff. Dies verteile die Last sehr gut auf den Auflagepunkten. Die Solarzellen sind in Sechser-Gruppen mit einem Meter Abstand angeordnet, wodurch die Modulgruppen jederzeit bewegt werden können. Da keine Windabweiser verwendet werden, damit genug Licht unter die Module kommt, wurde schließlich die dreifache Menge an Betonsteinen benutzt, um die Anlage sicher zu fixieren.

Bewusstsein für Energie schaffen
Wie es um Erzeugung und Verbrauch steht, erfahren die Mitarbeiter in Echtzeit an der Kaffeemaschine. Ein Display zeigt an, was erzeugt und verbraucht wird, ob Überschuss ins Stromnetz eingespeist werden kann oder Strom bezogen werden muss. Mirco Rohloff findet das wichtig, um ein Bewusstsein für Energie zu schaffen, gerade in Zeiten, wo Ressourcen knapper und Strom und Gas teurer werden. Die Kaffeemaschine sei dafür ein guter Ort, da hier jeder kurze Zeit verweile. Und auch den Mitarbeitern gebe es ein gutes Gefühl, dass mit nachhaltiger Energie produziert werde. Darüber hinaus sind die Hallen mit LED-Lampen und neuen Thermopenscheiben ausgerüstet, die den Energiebedarf senken.

Visualisierung des Verbrauchs
Um den Energieverbrauch im Unternehmen zu visualisieren, hat die Rohloff AG lange nach der passenden Lösung gesucht. Der Knackpunkt: Die meisten zeigen den Verbrauch nicht in Echtzeit an. „Wir können dafür zwei Programme empfehlen, die in der Lage sind den Verbrauch schnell per Modbus anzuzeigen“, sagt Mirco Rohloff. Zum einen die „Energy Meter“-App von Heiko Prüssing, die auch die klassische SMA-Homemanager-Ansicht anzeigt. Diese sei schnell auf einem iPad installiert, innerhalb von fünf Minuten in Betrieb genommen und laufe sehr stabil.

https://apps.apple.com/de/app/energy-meter/id989638672

Für alle, die mehr Flexibilität und Freiheit brauchen und mehr Zeit mitbringen, eignet sich sehr gut das Softwareprojekt „Solaranzeige“. „Es kann sehr gut auf einem Raspberry Pi betrieben werden. Hier kann man auch gemischte Netze auswerten und ist sehr frei in der Darstellung“, erklärt Mirco Rohloff.

www.solaranzeige.de

E-Mobilität braucht gute Infrastruktur
Mirco Rohloff ist mit dem Betrieb der Eltern groß geworden. Der Elektroingenieur ist Mitglied des Aufsichtsrats und vor allem federführend, wenn es um Entwicklungen für E-Bikes geht – etwa die elektronische Schaltansteuerung Rohloff E-14. Für ihn ist das Fahrrad, besonders das E-Bike, das Verkehrsmittel der Zukunft, um den Klima- und Mobilitätswandel zu meistern.

Wachsendes Klimabewusstsein macht das E-Bike oder Pedelec für viele interessant: Es sorgt für Leichtigkeit beim Fahren, auch bei Anstiegen und mit Gepäck, und ist so der ideale Begleiter bei Einkauf und Familienausflug oder für Jobpendler. Dank modernen Antrieben, deren Akkus zuhause problemlos geladen werden können, sind weitere Strecken kein Problem.

Ganz anders sieht es für Mirco Rohloff bei E-Autos aus: Weder Ladesäuleninfrastruktur und Ladezeit noch die Leistungsfähigkeit von Akkus bzw. Batterien seien so aufgestellt, dass sie für viele Menschen eine „echte Alternative“ zu herkömmlichen Autos darstellen. Das E-Auto hat für ihn im Gegensatz zu einem Auto mit Verbrennungsmotor noch zu viele Einschränkungen wie geringe Reichweite, lange Ladezeit und komplizierte Tankkarten. Das E-Bike punkte im Gegensatz zum klassischen Fahrrad mit längerer Reichweite, entspanntem, staufreiem Fahren, schnellem Nachladen und günstigem Unterhalt.
Die Tour de Sol, die 1985 ihre Premiere feierte, war das erste Rennen für Fahrzeuge, die mit einem Solarantrieb anstatt einem Verbrennungsmotor fuhren. „Dass die Elektromobilität nur noch ein paar Jahre entfernt sei, wurde mir damals gesagt. Und auch, dass nur noch das Akkuproblem gelöst werden müsse, dies aber in maximal fünf Jahren erledigt sei“, erinnert sich Mirco Rohloff. „Heute stehen wir immer noch vor demselben Problem.“


E-Bikes wichtige Säule der Verkehrswende
„Heute, 35 Jahre später, könnten meine Kinder auf dem Foto (siehe erstes Bild oben, da bin ich 13 Jahre alt) sitzen, aber wir haben weder die Akku-Problematik gelöst noch eine Infrastruktur zum Laden geschaffen. Im Gegensatz zu meiner sorglosen Kindheit brennt ihnen der Klimawandel unter den Nägeln. Ihnen muss ich leider sagen, dass die Elektromobilität offensichtlich noch eine Weile braucht“, bedauert er.
Für ihn ist das E-Bike die urbane Mobilität der Zukunft: „Räder haben keinen CO2-Ausstoß und brauchen weniger Platz im fahrenden und ruhenden Verkehr“, nennt er Pluspunkte für das Klimaschutzkonto. Er ist stolz, dass der Betrieb seiner Eltern seit nunmehr 36 Jahren Antriebstechnik für saubere Mobilität wie diese liefert – und seitdem einen Beitrag für mehr Klimaschutz leistet.

Mirco Rohloff denkt, dass mit Blick auf die geforderte Verkehrswende, leichtere, kleinere und damit sparsamere Fahrzeuge auf die Straßen gehören. Für ihn heißt das: Weg vom SUV, den die Autoindustrie immer noch forciert. Das Rennsolarmobil „Dyname“, das er in seiner Kindheit bewunderte, stand für Sparsamkeit, Leichtbau und Effizienz.

„Die neue und jetzt kommende Generation von Leichtfahrzeugen L5e bis L7e wird meiner Meinung nach mit den Pedelecs zusammen eine wichtige Rolle im Verkehr der Zukunft spielen, da sie diese Rahmenbedingungen erfüllen. Jetzt fehlt nur noch das Tempolimit auf deutschen Autobahnen“, sagt Mirco Rohloff – und fügt an, das werde wohl noch lange dauern.


Veröffentlicht: Dieser Artikel wurde für das Magazin SONNENENERGIE geschrieben
AutorInnen: Helga Kothe & Mirco Rohloff