Vom Pflegefall zum Mutmacher auf dem Fahrrad

Persönlicher Bericht von Sven Marx

Nie hätte ich gedacht, dass ich mal einen persönlichen Bericht zu einem Antrieb für ein Fahrrad schreiben würde. Wie so oft kommt es anders, als man denkt.

Bis zum Januar 2009 war ich leidenschaftlicher Motorradfahrer. Ich hatte mit 12 Jahren mein erstes Fahrrad allein zusammengebaut. Aber seit ich 14 war, drehte sich mein ganzes Wirken um Zweiräder mit Motor. Ich hatte das große Glück, Maschinen vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1990er Jahre fahren und restaurieren zu dürfen.

Meine zweite große Leidenschaft bestand darin, Menschen – vom Anfänger bis zum Tauchlehrer – beizubringen, wie man sich unter Wasser respektvoll gegenüber den dort ansässigen Pflanzen und Lebewesen verhält.

Im Januar 2009 war es über Nacht damit aus, meine Reiselust auf dem Motorrad und in den Ozeanen der Welt hatte mit der Diagnose „Tumor am Hirnstamm – sofortige Operation“ ein abruptes Ende. Bei der mehrstündigen OP musste man mich mehrmals wiederbeleben, und das Ergebnis war, dass ich eine Hälfte des Tumors noch im Kopf habe. Nach zwei Tagen gab es außerdem eine Einblutung und damit ging die Talfahrt erst richtig los.

Das Ergebnis war ein halbseitig gelähmter Pflegefall, der auf der Intensivstation von Maschinen am Leben erhalten wurde. Meiner Frau sagte man, sie sollte für uns in Berlin eine Wohnung suchen und Arbeit für sich. „Ihr Mann wird nie wieder einen Schritt aus eigener Kraft machen!“, hieß es. Wir lebten zu der Zeit in Ägypten am Roten Meer. Vom Paradies in die Hölle in wenigen Tagen.

Das Glück im Unglück war wie schon so oft in meinem Leben an meiner Seite, und so schaffte ich es mit der Hilfe vieler toller Menschen, die mich in der REHA betreuten, und die im Freundeskreis und in der Familie an mich glaubten, im Juli 2009 erste Schritte aus eigener Kraft zu machen. Für mich war klar: Es geht noch etwas.

Hier begann mein größter Kampf.

Ich erinnerte mich zurück an Kindertage, an eine Zeit, in der das Fahrrad mir neue Welten eröffnete, und lernte erneut ein Fahrrad zu steuern. Es dauerte ein Jahr, bis ich 15 km zurücklegen konnte, und ein weiteres bis es 100 km waren. 2011 startete ich nun als seh- und gehbehinderter Mensch meine erste Fahrradtour in Richtung Ostsee. Mein Sohn begleitete mich um mir notfalls helfen zu können. Es klappte alles erstaunlich gut – für meine Verhältnisse.

Ab diesen Zeitpunkt plante ich immer längere Touren. Ich bekam im Sommer 2011 eine zweite schwere Diagnose – Schwarzer Hautkrebs – eine weitere OP. Für mich war ab da klar, dass ich, wenn ich mit zwei lebensbedrohlichen Krankheiten 50 werde, eine Weltreise auf dem Fahrrad machen würde.

Als Vorbereitung folgte ich der Route 66, durchquerte Japan, fuhr von Sibirien zum Nordkap und besuchte sämtliche Hauptstädte in Europa. Mein erstes Reiserad habe ich mir natürlich allein zusammengebaut, ebenso drei weitere – ich war es ja gewohnt, an Zweirädern zu schrauben. Nur leider hatte ich nicht die Mittel, mir meine großen Wünsche zu erfüllen, ich musste sparen für meinen großen Trip. So hatte ich mir ein Rad mit einer 11-Gang Nabenschaltung zusammengebaut. Ich muss sagen, dass ich recht zufrieden mit dem Rad war. Das ging so lange gut, bis ich 2014 von Rom nach Cluj in Rumänien fuhr. Ich unterstütze dort seit 2012 ein Projekt für sozial schwache Kinder und alte Menschen.

Als ich auf dem Weg durch Italien, Griechenland, die Türkei und Bulgarien bereits drei Gebirge hinter mich gebracht hatte, ging es in die Karpaten. Meine Muskeln brannten und ich wünschte mir bei jeder Steigung über 8%, von denen es dort nicht wenige gibt, eine andere Schaltung. Eine Kettenschaltung hätte es auch getan, aber für ein Reiserad m.E. nicht die optimale Lösung. Bei jeder Steigung schwor ich mir, dass ich einen Weg finden würde, um im Sommer 2015 ein Bike mit einer Rohloff-Nabe zu fahren.

Der Zufall spielte mir in die Karten: Karl Grandt von „Inklusion braucht Aktion“ schrieb mich an. Er fand es bemerkenswert, dass ich trotz oder gerade wegen meiner Behinderung so aktiv bin. Er bat mich, ihm für sein Projekt ein Grußwort zu senden, das auf das Thema Inklusion aufmerksam macht, und das tat ich. Der Winter war da und ich überlegte hin und her, wie ich mein neues Rad eventuell durch einen Sponsor finanziert bekommen könnte. Zur gleichen Zeit plante ich mit Karl eine Tour über die Alpen, um 2015 die Inklusionsfackel vom „Netzwerk Inklusion Deutschland“ vom Papst persönlich segnen zu lassen.

Verrückt: All die Anstrengungen der Wochen mit Regen, extremer Hitze und Bergen waren verflogen, als ich dann vor dem Kirchenoberhaupt stand und dem Papst in unserer Sonderaudienz persönlich die Hand reichen durfte. Ein Mensch, der unglaubliche Ruhe ausstrahlt, ein wundervolles Erlebnis.

Mein neues Patria Fahrrad, das mit einer Rohloff Speedhub 500/14 ausgestattet ist, stand also am Petersdom und wurde von der Schweizer Garde bewacht. Wahnsinn, wie sich mein Leben verändert hatte. Ich war auf einmal ein schwerbehinderter Radreisender, wurde von den Medien als Mutmacher gehandelt, und mein neuer Freund Karl, dessen Projekt ich auch unterstützt hatte, vermittelte mir, dass mich Patria unterstützt und auch Frau Rohloff einwilligte mich zu unterstützen. Mein Glück war riesig und mir war klar, dass man trotz vieler Schicksalsschläge niemals den Kopf in den Sand stecken darf.

Das Rad mit dieser tollen Errungenschaft der Technik, die es schafft, 14 Gänge in ein dafür echt kleines Gehäuse zu verpacken, ist ein Traum. Ich fahre es jetzt schon über 40.000 km und bin nie enttäuscht worden. Ich war in der Wüste unterwegs, in der Regenzeit in Asien, bei Kälte am Nordkap und in Kanada, es lief immer perfekt. Das Öl kann man leicht selber wechseln, selbst nicht so begabte Handwerker bekommen das hin, im Internet kann man sich sogar ein tolles Video von Rohloff dazu ansehen.

Es gab wirklich nur ein Problem: In Kanada ist eine Speichenlochaufnahme an meinem Gehäuse gerissen. Danach ging fast nichts mehr, mehrere Speichen waren ohne Spannung und eine heftige Acht das Ergebnis. Ein kurzer Kontakt mit dem Rohloff-Vertreter in Toronto, und schon saß ich im Zug von Montreal zurück. Ich musste nur das Hinterrad ausbauen und der Händler holte es noch am selben Tag ab. Ich fragte nach den Kosten und bin fast gestorben, als ich hörte, was mich die Reparatur kosten würde.

Nach zwei Tagen war das Rad zurück, ein neues Gehäuse verbaut und Verstärkungsringe für den Flansch montiert – die kannte ich bis dahin nicht, sonst hätte ich sie vorher schon verbaut. Das Rad mit den Speichen ist einer extremen Belastung ausgesetzt: meine fast 90 kg, bei voller Beladung 60kg Gepäck und schlechte Straßen haben im Laufe der Zeit die Spannung auf den Speichen gelockert.
Dazu kommt dann als zusätzliche Belastung, wenn ich mal wieder einen Bordstein runterkrache, weil ich ihn mit meinen schlechten Augen nicht bemerkt habe. Durch den Tumor sehe ich alles doppelt und räumliches Sehen ist nicht möglich. Ich war auf die Rechnung gespannt, doch ich bekam keine. Der Händler erklärte mir, dass er an Rohloff geschrieben hatte, und ich sollte mich auch noch einmal melden: Rohloff sei in diesem Fall sehr entgegenkommend gewesen.

Zwei Tage später stand dann fest, dass Rohloff das neue Gehäuse auf Kulanz übernahm und ich nur einen Anteil der Reparatur an den Händler. Eine neue Felge war in jedem Fall nötig, denn die hatte ich mir in Russland und Japan ordentlich verbeult. Zukünftig werde ich die richtige Speichenspannung öfter nachprüfen, um Folgeschäden zu vermeiden. Ich war überglücklich, so wurde meine Reisekasse nicht total geleert.

Jetzt zum Ende meiner Reise – war ich schon 14 Monate unterwegs und hatte noch drei weitere vor mir. Ich fühlte mich wie ein König: Nicht nur, dass das maßgeschneiderte Rad mir jeden Tag Freude bereitet (statt Schmerzen, wie bei vielen Menschen auf langen Rad-Reisen), sondern man holte sogar mein Hinterrad ab und ersetzte auf Kulanz Teile. Sowas kennt man sonst nur von den ganz Großen in der Autoindustrie oder von hochwertigen Maschinen.

Mein Fazit: Ich würde immer wieder ein Fahrrad mit einem Rahmen empfehlen, der an den eigenen Körper angepasst wurde. Lieber etwas länger sparen, es ist nicht so viel teurer und lohnt sich in jedem Fall. Selbst bei Berechnung der Rahmengröße und unter Berücksichtigung aller Dinge, die man so über das ideale Einstellen von Sattel und Co finden kann, kann das einen vermessenen für dich maßgefertigten Rahmen nicht ersetzen. Der eine hat längere Arme, der andere kürzere. Der eine sitzt nicht ideal, weil er mal einen Unfall hatte oder kaputte Bandscheiben, und ein anderer kann nicht gut sehen, so wie ich. Das Rad wurde meinem Blickwinkel angepasst.

Nach sechs Wochen Produktionszeit habe ich mich auf ein Fahrrad gesetzt, das für mich gemacht wurde, wie Maßschuhe. Ich wusste nach nur 10 Metern, dass das mein Fahrrad ist. Und durch die Schaltung wurde mein Glück perfekt: Es gibt immer noch Steigungen, an denen ich mal schieben muss, aber das ist sehr selten und die Gänge sind so super ausgelegt, dass ich immer die ideale Trittfrequenz finde. Ich habe mich total verliebt und bis jetzt nichts gefahren, das diese Schaltung in den Schatten stellen könnte.

Ich bin mit der Schaltung vollkommen zufrieden und der Service, den ich erleben durfte, dürfte weltweit der einmaliste sein.

Vielen Dank für die Unterstützung und weiterhin viel Erfolg mit diesem tollen Produkt wünscht

Sven Marx