Die Leidensgeschichte von Stefan Herb (2013)

Es ist Freitag, der 6. Dezember 2013. Nikolaustag. Durch das Fuldatal bläst ein stürmischer Wind und es schneit zeitweise. Drinnen ist es angenehm warm. Genauso war das Wetter drei Wochen zuvor, als ich nach hause kam.

Hinter mir liegen 49.000 km durch Asien. Die Eckpunkte der Tour waren Deutschland – Wladiwostok – Bangkok. Zurück nach Deutschland dann auf einer südlicheren Route durch Zentralasien.

20 Monate war ich unterwegs. Sage und schreibe vier Rohloffnaben hab ich dabei benötigt!? Rahman, der Mechaniker beim Rohloff Service Partner Bisiklet Gezgini in Istanbul nannte mich deshalb ein „Rohloff Massacre.“

 

Und genau deshalb sitze ich hier im Firmensitz bei Rohloff.

Es geht nicht darum, Stunk zu machen. Man kennt sich, zumindest ein bisschen. Ich bin mit Michael gekommen, einem Rennfahrer, der die Rohloff SPEEDHUB bei MTB-Rennen fährt. Die Fahrer des Rennteams habe ich mehrmals als Physiotherapeut bei Trans-Alps, Trans-Germanys und einmal beim Cape Epic in Südafrika betreut – immer ohne technische Probleme.

Meine Geschichte der Reise ist Firmenchefin Barbara Rohloff und den Angestellten von so mancher Email bekannt. Wir gehen alles noch mal durch ...


Nach ca. 16.000 km bemerkte ich im tiefsten Sibirien, dass meine Nabe leichtes Lagerspiel hatte. Ändern konnte ich zu diesem Zeitpunkt daran relativ wenig und fuhr halt weiter. Wenige Wochen später, an meinem zweiten Tag in China, hörte ich ein kurzes Knacken und gar nix ging mehr. Kein Vortrieb, kein Freilauf. Das Hinterrad stand schräg im Rahmen und es drehte sich nur noch sehr widerwillig, weil es den Reifen so sehr an die Kettenstrebe drückte.

 


Ich schlug mich in die nächste Stadt Mudanjiang durch, fand dort einen Fahrradladen und speichte eine konventionelle 8-fach Nabe ein. Ich zerlegte die Kassette und setzte das größte Ritzel an die sechste Stelle. Das sorgte für kräftiges Kopfschütteln bei den umstehenden Chinesen und ich gebe auch durchaus zu, dass das komisch aussah. Aber so stimmte die Kettenlinie und es war die vernünftigste Übersetzung für die nächsten Wochen, in denen ich Singlespeed radelte. 2.000 km fuhr ich so in einem Gang durch Nordostchina bis Peking. Nach einigen Emails und einem Telefonat bot Barbara Rohloff mir an, eine neue Nabe in die chinesische Hauptstadt zu schicken. Rohloff übernahm sogar alle Transport- und Zollkosten. Diese neue Nabe begann nach 4.000 km Öl zu verlieren und nach 6000 km sprangen einige Gänge. Ca. alle 30 m ging die Kurbel für einen Sekundenbruchteil leer durch, wenn ich in Gang 8, 9 oder 11 unterwegs war.

Da flippst du vollkommen aus! Ich schaute mir das eine Weile an und gab dann die Hoffnung auf, dass sich dieses Problem vielleicht von allein lösen würde. Dann machte ich Nägel mit Köpfen. Ich war auf dem Weg zurück nach China und wollte entlang der tibetischen Grenze durch die ganz hohen Berge fahren.

Aber nicht mit einer angedätschten Nabe. Ich nahm einen Zug von Vientiane, Laos nach Bangkok und kaufte mir eine neue SPEEDHUB beim thailändischen Rohloff-Importeur Bokbok Bicycles. Bei Besitzer Ma und seinen Jungs war ich zum Ölwechsel schon mal gewesen. Mit der Nabe Nummer drei rumpelte ich über die oft sehr rauen Nebenstrecken mit tiefen Schlaglöchern und Wege Yunnans, Sichuans und Qinghais.


Einige Male ging es nur noch auf Singletrails oder das Rad schiebend dahin. Tibetische Nomaden luden mich zum Aufwärmen in ihre Zelte ein. Ich hatte Anfang Mai oft noch Schnee. Die Luft war dünn, fast 5.000 m zeigte der Höhenmesser. Es war einer der schwersten und großartigsten Abschnitte der Reise. Aber auch Strapazen wurden nebensächlich angesichts dessen, was ich dafür an Eindrücken geboten bekam.

Und die SPEEDHUB funktionierte, dass es eine wahre Freude war! Umso fassungsloser war ich, als ich auf den flachen, neuen Teerstrassen Westchinas einen Achter zentrieren wollte. Der vermeintliche Speichenbruch entpuppte sich aber als Flanschbruch. Die Speiche war ganz, aber das Loch, in dem der Speichenkopf steckte, war ausgerissen. Ich improvisierte, indem ich die Speiche in einem benachbarten Kreuzungsdreieck einhängte.

 


 

 

Damit hatte ich keine allzu große Unwucht und kam noch einen Monat weiter. Dann kam mich ein Freund besuchen und brachte mir ein neues Gehäuse mit.

In Istanbul kaufte ich dann noch mal eines, weil mir 400 km vor der türkischen Hauptstadt genau dasselbe noch mal passierte. Insgesamt zeigten sich an fünf Speichenlöchern Risse.

 

„Hmm“, beende ich meine Erzählung und blicke in die Runde, „so war das“!

„Du hattest sie so ziemlich alle,“ entgegnet man mir. Alle Probleme, die man mit einer Rohloffnabe überhaupt so haben kann. „Manchmal wird uns der legendäre Ruf der Nabe zum Verhängnis“, sagt Barbara Rohloff.

„Die Leute meinen, man bräuchte sich einfach um gar nix zu kümmern.“

Genau das hatte man mir jedoch leider im Vorfeld der Reise mehrfach erzählt. Deswegen hatte ich auch kein Öl mitgenommen. „Mach ich halt mal nach 20.000 km in Peking einen Ölwechsel“, dachte ich mir. Aber man stellt im Gespräch klar, dass der Ölwechsel alle 5.000 km einfach sein muss – besonders wenn mit dem Fahrrad unter extremen Bedingungen gereist wird. Die Naben verlieren aufgrund von starken Luftdruckschwankungen (große Höhe) oder Temperaturschwankungen Öl. Und es kann Wasser reindrücken wenn es durch tiefe Furten mit starker Wasserströmung geht oder Flüsse durchquert werden. Das ist leider Realität. Auch eine Rohloff SPEEDHUB braucht Wartung und Pflege.

 

  • Meine erste Nabe war innen stark verrostet, da vermutlich Wasser von Flussdurchquerungen über längere Zeit zusammen mit zu wenig Öl drin war und nicht gewechselt wurde.

  • Zum Thema Flanschbruch bzw. ausgerissenen Speichenlöcher heißt es ganz klar: Zu niedrige Speichenspannung entlastet nicht den Flansch, sondern sorgt im Gegenteil dafür, dass sich die Speichenköpfe bei Be- und Entlastung während jeder Radumdrehung minimal im Speichenloch bewegen und so den Flansch auf Dauer beschädigen. Eine hohe Speichenspannung sorgt für längere Lebensdauer. Wer mit einem Messgerät (Tensiometer) einspeicht, sollte 1300N Speichenvorspannkraft erreichen. Wer ohne Messgerät ein Laufrad baut sollte die Speichen fest anziehen und zwar richtig fest! Auch die Speiche selbst ist von Bedeutung. Ist der Speichenbogen zu kurz oder die Speiche zu dick, hebelt diese seitlich am Flansch.

 

Auf dem Tisch steht ein Nabengehäuse mit verschiedenen, lose eingelegten Speichen, die in alle möglichen Winkel abstehen. „Alles was 90 Grad (+/- 5°) absteht (in einem neuen Gehäuse) ist in Ordnung“, erklärt mir Marco Rauch, einer der Rohloff-Ingenieure und verweist auf die Zeichnung im Handbuch (Seite 131).

Warum mir die Gänge in der zweiten Nabe gesprungen sind wird noch untersucht. Aber grundsätzlich ist es so: Die Rohloff Nabe wird ihrem Ruf, sorgenfrei zu funktionieren, nur dann gerecht, wenn man sie korrekt einbaut und sich auch um sie kümmert. Hätte ich das alles nur vor Reiseantritt gewusst oder im Handbuch gelesen – dann würde mich vielleicht meine erste SPEEDHUB heute noch begleiten...?!

Vielleicht dienen ja meine Erfahrungen dem ein oder anderen, dass er mit weniger Problemen als ich um die halbe oder ganze Welt kommt !

Gute Reise !!


Stefan Herb

 

Kommentar der Rohloff AG:

Leider passiert es immer wieder...

… dass Alltags- oder Reiseradler, die sich eigentlich auf ihr Fahrrad als Fortbewegungsmittel 100%ig verlassen müssen, weder in die Anleitung schauen oder sich sonst noch vor Reiseantritt über die Rohloff Getriebenabe etwas schlau machen. Sehr bedauerlich - denn so kann eine Reise unangenehme Folgen haben ...!
Eigentlich ist die SPEEDHUB 500/14 gegenüber anderen Schaltungen ein Sorglos-Produkt. Allerdings nur dann, wenn die wenigen Vorgaben bzgl. Wartung und Pflege beachtet werden. Aus diesem Grund gibt es das ausführliche Rohloff Handbuch mit vielen Abbildungen und Hinweisen als Leitfaden. Insbesondere die Fehlerbeschreibung und noch wichtiger die Reiseseite sollten vor Reiseantritt unbedingt zur Kenntnis genommen werden!
Bei Stefans Nabe Nr. 1 hatte die mangelnde Pflege in Form eines  Ölwechsels, Rost zur Folge der dem Getriebe extrem zugesetzt hat. Die Nabe Nr. 2 hatte Schaltstörungen durch eine zu tief eingedrehte Ölablassschraube. Ursachen für einen Flanschbruch sind ebenfalls im Handbuch sehr gut dokumentiert.
Die SPEEDHUB 500/14 gibt seit mittlerweile über15 Jahren und es sind inzwischen beinahe 200.000 Naben weltweit unterwegs. Die längste bei uns aktuell bekannte km-Fahrleistung liegt bei über 250.000 km.
Diese sind allerdings bei guter Pflege und unter Beachtung unsere Vorgaben zurückgelegt worden.

Rohloff AG